Rudolf Maria Bergmann in der Frankfurter Rundschau anlässlich einer Ausstellung in der Kunsthalle Krems [via Perlentaucher]:
Die Sehnsucht nach einer verlässlichen Religion wächst in dem Maß, wie die materiellen Sicherheiten schwinden, unbeherrschbare Bedrohungen zunehmen und die Heilsversprechen der totalen Ökonomisierung immer windiger klingen. Angesichts des Verlusts sittlicher und moralischer Werte in der sinnentleerten Turbowelt kehrt das Interesse zurück für Religionsgemeinschaften mit scharf konturiertem Profil. Dem entsprechend sind in Deutschland Umnutzung und Abriss von Kirchen eher ein Problem des protestantischen Nordens als im katholischen Süden, obwohl auch da Steuerausfälle und Sparwahn die Situation in den Diözesanbauämtern zuspitzen.
Steht jedoch eine Kirche zum Verkauf, engagieren sich häufig sogar Bürger für den Erhalt, die noch nie zum Gottesdienst erschienen sind. Offenbar sind Sakralbauten tief im menschlichen Bewusstsein verankert, weil sie das Bedürfnis nach einem Ort erfüllen, der anders ist als die Alltagswelt und aus dieser Distanz besondere religiöse Erfahrungen und Wahrnehmungsmöglichkeiten schafft. Zudem sind Kirchen die letzten kostenlos zugänglichen, nicht überwachten Oasen im neoliberal umgepflügten Stadtraum. Das macht Neubauten nicht einfacher, denn wachsendes Interesse und sinkende Mitgliederzahlen treffen aufeinander.
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