25.2.08

Philipp Larkin: Church Going

Von Philipp Larkin stammt das folgende Gedicht, das in einer deutschen Übersetzung von Ulrich Horstmann im Web zu finden ist.

Ja, es geht um das Kirchensterben und um das, was uns fehlt, wenn die Kirchen fehlen:

Philipp Larkin: Church Going

Once I am sure there's nothing going on
I step inside, letting the door thud shut.
Another church: matting, seats, and stone,
And little books; sprawlings of flowers, cut
For Sunday, brownish now; some brass and stuff
Up at the holy end; the small neat organ;
And a tense, musty, unignorable silence,
Brewed God knows how long. Hatless, I take off
My cycle-clips in awkward reverence.

Move forward, run my hand around the font.
From where I stand, the roof looks almost new -
Cleaned, or restored? Someone would know: I don't.
Mounting the lectern, I peruse a few
Hectoring large-scale verses, and pronounce
'Here endeth' much more loudly than I'd meant.
The echoes snigger briefly. Back at the door
I sign the book, donate an Irish sixpence,
Reflect the place was not worth stopping for.

Yet stop I did: in fact I often do,
And always end much at a loss like this,
Wondering what to look for; wondering, too,
When churches will fall completely out of use
What we shall turn them into, if we shall keep
A few cathedrals chronically on show,
Their parchment, plate and pyx in locked cases,
And let the rest rent-free to rain and sheep.
Shall we avoid them as unlucky places?

Or, after dark, will dubious women come
To make their children touch a particular stone;
Pick simples for a cancer; or on some
Advised night see walking a dead one?
Power of some sort will go on
In games, in riddles, seemingly at random;
But superstition, like belief, must die,
And what remains when disbelief has gone?
Grass, weedy pavement, brambles, buttress, sky,

A shape less recognisable each week,
A purpose more obscure. I wonder who
Will be the last, the very last, to seek
This place for what it was; one of the crew
That tap and jot and know what rood-lofts were?
Some ruin-bibber, randy for antique,
Or Christmas-addict, counting on a whiff
Of gown-and-bands and organ-pipes and myrrh?
Or will he be my representative,

Bored, uninformed, knowing the ghostly silt
Dispersed, yet tending to this cross of ground
Through suburb scrub because it held unspilt
So long and equably what since is found
Only in separation - marriage, and birth,
And death, and thoughts of these - for which was built
This special shell? For, though I've no idea
What this accoutred frowsty barn is worth,
It pleases me to stand in silence here;

A serious house on serious earth it is,
In whose blent air all our compulsions meet,
Are recognized, and robed as destinies.
And that much never can be obsolete,
Since someone will forever be surprising
A hunger in himself to be more serious,
And gravitating with it to this ground,
Which, he once heard, was proper to grow wise in,
If only that so many dead lie round.

[Nach Horstmann:
(...)
Doch hab ich trotzdem angehalten; passiert mir oft
und mehr als oft bin ich so ratlos wie auch hier,
und frag mich, was soll sich schon zeigen unverhofft
und was wird werden, wenn die letzte Seele dies Geviert
verlassen hat. Worin verwandelt sich’s, wenn wir nur noch
ganz wenige Kathedralen für Ausstellungszwecke offenhalten
– das Pergament, die Pyxis und Patene unter Glas?
Sind sie für Schafe Ställe erst und später dann ein Regenloch?
Als Unheilshorte allenfalls besetzt mit unserem Haß?
(...)
...Dies ist ein ernstes Haus auf ernstem Grund,
in dessen gut durchmischter Luft sich alle unsere Zwänge treffen
und dann in Schicksalskleider schlüpfen nach Befund.
Soviel zumindest bleibt auch Enkelsenkeln, Urgroßneffen,
denn dieser Hunger wird sich immer wieder rühren,
ganz plötzlich ist das Dasein ernstgemeint,
und seine Schwerkraft zieht uns hin zu dieser Erde,
in der die Weisheitssucher, hieß es, Antwort spüren,
und sei es nur, weil sie ringsum von Toten stets erneuert werde. ]

3.2.08

Kirchenschließungen im Bistum Hildesheim

"Das Bistum Hildesheim plant, ab dem kommenden Jahr voraussichtlich 80 Kirchen zu schließen. 197 andere Kirchen sind für die Seelsorge jedoch so wichtig, dass das Bistum dort bei Bedarf sogar baulich investieren wird." Mit diesem Paukenschlag setzte die Bistumsverwaltung am 18. Januar viel Aufregung und eine breite, zum Teil heftig geführte Diskussion in Gang.

Details der Pläne für die Region Hannover waren hier bereits zu lesen. Doch diese Region ist nur eine von vielen in meinem Heimatbistum, das zum größten Teil ein klassisches Diaporabistum ist. Vor 100 Jahren lebten hier gerade einmal 201.914 Katholiken. Im Jahr 2006 waren es 645.861, vor zwanzig Jahren noch einmal 100.000 mehr als heute. Für das Jahr 2020 werden noch etwa 552.000 Katholiken erwartet.

Seinen größten Strukturwandel seit der Reformation machte das Bistum in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg durch. Damals stieg die Zahl der Katholiken durch die zahlreichen zugewanderten Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sehr stark an. In der langen Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen (1957-1982) wurden mehr als 250 Kirchen gebaut und viele neue Gemeinden gegründet.

Die Heilig-Geist-Kirche meiner heutigen Gemeinde wurde 1960 konsekriert, die St.-Josef-Kirche 1982 als Neubau, der an die Stelle der im 19. Jahrhundert errichteten ersten katholischen Kirche in Stade seit der Reformation trat. St. Michael in Bremervörde wurde 1963 geweiht, St. Michael in Harsefeld 1967, Mariä Himmelfahrt in Buxtehude 1975.

Einer ersten industriell begründeten Zuwanderungswelle im späten 19. Jahrhundert zuzurechnen sind die beiden Kirchen St. Ansgar in Hemmoor-Warstade (1900) und St. Nikolaus in Hechthausen (1936), die aus einem alten Feuerwehrhaus umgebaut wurde. Industrieansiedlungen der 60er und 70er Jahre in Stade zogen und ziehen bis heute Katholiken aus anderen Teilen Deutschlands an. Deshalb und durch die Spätaussiedler aus Polen, Russland und anderen Teilen Osteuropas wächst vor allem die Stader Heilig-Geist-Gemeinde nach wie vor an.

St. Lukas in Fredenbeck (1968) wurde Ende 2003 profaniert und 2004 abgerissen. Viele der in der Nachkriegszeit errichteten Kirchen waren damals nur auf eine Nutzungsdauer von etwa 30 Jahren ausgelegt worden. Sie müssten nun ersetzt oder aufwendig saniert werden. Das Bistum sieht sich dazu nicht mehr in der Lage. Altbischof Josef Homeyer (1983-2004) hatte noch kurz vor Ende seiner Amtszeit ein umfangreiches Eckpunktepapier auf den Weg gebracht, dass den Weg bis 2020 vorzeichnen sollte.

Dieses Papier zieht, nicht ohne Plan und theologische Begründung, die Konsequenzen aus der demographischen Entwicklung des Bistums. Die oben bereits genannten Zahlen führen insbesondere zu einem starken Rückgang der Kirchensteuereinnahmen und machen daher eine Kürzung der Ausgaben zwingend erforderlich. Das Eckpunktepapier beendete insbesondere eine Phase zahlreicher Sparrunden, mit denen das Bistum seit den 90er Jahren versucht hatte, den schwindenden Mitteln hinterherzulaufen.

Einige Strukturentscheidungen sind bereits getroffen und umgesetzt, weitere werden folgen. 109 Gemeinden wurden 2006 zu 36 Gemeinden zusammengelegt, für die Zukunft gibt es einen Gesamtplan. Für 2020 plant die Bistumsverwaltung rund 120 Gemeinden, heute sind es noch 243. Meine Gemeinde soll 2010 mit St. Michael in Bremervörde und St. Ansgar in Hemmoor zusammengelegt werden. Sie bilden heute eine Seelsorgeeinheit und teilen bereits Pfarrer und Kaplan.

Diese Gesamtplanung ist eine der Grundlagen für die im Januar veröffentlichten Schließungs- und Investitionspläne. So hat jede der künftigen 120 Gemeinden mindestens eine Kirche, die unentbehrlich ist und auf absehbare Zeit nicht zur Diskussion stehen wird. Diese Kirchen (Kategorien A und A-S) werden aus dem derzeit 5,5 Mio. Euro pro Jahr schweren Bautopf des Bistums gefördert, auch Investitionen sind möglich. Die Kirchen in Stade, Bremervörde und Hemmoor fallen allesamt in diese Kategorie.

Am anderen Ende des Spektrums stehen insgesamt 80 Kirchen, die als nicht unbedingt notwendig eingestuft werden und für die es Gründe zur Profanierung gibt (Kategorie C 2). St. Nikolaus in Hechthausen gehört zu dieser Gruppe. Dort wird derzeit nur einmal im Monat die Heilige Messe gefeiert. Sie ist allerdings, wie zahlreiche Kirchen im Bistum, als bauhistorisch, architektonisch oder künstlerisch bedeutsam eingestuft worden (Kategorie D). Die Substanz dieser Kirchen soll konserviert werden.

Eine weitere Gruppe von Kirchen beschreibt die Verwaltungsvorlage als zwar ebenfalls nicht unbedingt notwendig, sieht aber derzeit keine Gründe für die Profanierung (Kategorie C 1). Für diese Kirchen wird das Bistum keinerlei Mittel mehr bereitstellen. Dies betrifft zum Beispiel im Eichsfeld, meiner Heimat, alle Dorfkirchen in jenen Gemeinden, die bis 2020 ihre Eigenständigkeit verlieren sollen. Das Eichsfeld ist eines der wenigen katholischen Kernlande im Bistum.

Die meisten Gemeinden dort allerdings wird dieses Verdikt aus Hildesheim wenig kümmern. Sie sind, ähnlich wie einige ebenfalls katholische Stiftsdörfer bei Hildesheim, dank zahlreicher Schenkungen mit Landbesitz ausgestattet, der genug abwirft, um Kirchen und Pfarrheime zu erhalten. Hier haben frühere Generationen wahrlich weit genug in die Zukunft geschaut.

In eine letzte Kategorie B ordnet die Bistumsverwaltung Kirchen ein, deren Bedarf zwar mittelfristig zu überprüfen ist, die aber vorerst weiterhin Mittel für substanzerhaltende Maßnahmen erhalten sollen. Auf diese und die Kirchen der Kategorien A und A-S konzentriert das Bistum künftig seine Baumittel. Um alle Kirchen und sonstigen Immobilien zu erhalten, wären statt der heutigen 5,5 Mio. etwa 11,5 Mio. Euro pro Jahr nötig.

Der jetzt vorgelegte Plan soll in den kommenden Monaten mit den heute 18 Dekanaten diskutiert und Ende des Jahres vom Generalvikar beschlossen werden. Die Profanierungen sollen 2009 beginnen. Von den heute 438 Kirchen des Bistums sollen 197 unbedingt erhalten bleiben (A und A-S), die Zukunft von 56 Kirchen ist zu klären (B). 86 Kirchen werden nicht mehr durch das Bistum finanziert (C 1), 80 Kirchen sollen profaniert werden (C 2). Warum sich diese Zahlen nicht zu 438 ergänzen, hat sich mir noch nicht erschlossen. Seit dem Jahr 2000 hat das Bistum Hildesheim bereits 13 Kirchen geschlossen und profaniert.